Klangbeispiel:
30,00 €

Jubiläums-Edition

MVB 100: J. Bornmann: „Siddhartha“ für Erzähler, Blockflöten-Quartett (AATB) und Trommel
Komplettes Aufführungsmaterial für eine abgeschlossene Darstellung des gleichnamigen Werkes von Hermann Hesse in Wort und Musik. In Hesses Dichtung geht es um die wesentliche und aktuelle Frage, wo und wie finde ich meinen Lebensweg. Originale Textpassagen von Hesse fassen den vollständigen Inhalt des Buchs zusammen. Sie wurden von Roland Müller zusammen gestellt. Die Musik nach dem Vorbild indischer Ragas schrieb Johannes Bornmann.

Die Ausgabe beinhaltet zunächst eine ausführliche Erläuterung der Geschichte und der Strukturen indischer Ragas, deren Grundprinzipien für die Hesse-Vertonung verwendet wurden. Damit erklingen erstmalig Ragas für Blockflöten-Ensemble. Sie sind vom technischen Niveau nicht besonders anspruchsvoll. Mehrfachbesetzung und/oder die Mitwirkung weiterer Instrumente ist möglich und sinnvoll. Die voluminöse Ausgabe beinhaltet Partitur, sämtliche Stimmen sowie den Text für den Sprecher mit insgesamt 120 Seiten! Aufführungs-Dauer: ca. 1 Stunde

Tipps für eine Aufführung
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Raga 1 „Bhairavi“
Raga 2 „Bhairav“
Raga 3 „Asavari“
Raga 4 „Bilaval“
Raga 5 „Gaud Sarang“
Raga 6 „Kirvani“
Raga 7 „Bhairavi“
Vorwort
Indische Ragas
König Nanyadeva von Mithila (1097-1147) nannte die Zahl der Ragas als unendlich. Ihre individuellen Merkmale seien nicht in Worte zu fassen, ebenso wie die Süße von Zucker nicht beschrieben werden könne, sondern selbst erfahren werden müsse. Nanyadevas Vorgänger, König Matanga, wird von den meisten späteren Gelehrten als die führende Autorität auf dem Gebiet der Ragas anerkannt. Etwa 800 n.Chr. erschien seine Abhandlung „Brhaddeshi“, in der er die Theorie der Musik (Marga) mit der Praxis der gespielten Musik (Deshi) in den verschiedenen Regionen Indiens verglich. So beschrieb König Matanga auch Tonleitern und Melodien und erklärte, ein Raga müsse durch seine Noten und Melodiewendungen die Seele des Menschen erfreuen. Spätere Schriftsteller schrieben konkreter, ein Raga beinhalte wohl feste traditionelle Vorgaben bezüglich der Skala, der Hierarchie der Töne oder der Ornamente, biete aber eben gerade durch diese Vorgaben die Möglichkeit für eine lebendige Improvisation, in der eine Stimmung hervorgerufen werden kann, welche einem bestimmten emotionalen Zustand, einer Jahres- oder Tageszeit entspricht.

Melodie
Die Frequenzproportionen unserer Intervalle (z.B. Oktave = 1:2, d.h. zwei Töne, deren Schwingungen im Verhältnis 1:2 stehen, bilden das Intervall einer Oktave / Quinte = 2:3 / Quarte 3:4 usw.) wurden nicht für unsere (westliche) Musik konstruiert. Sie sind naturgegeben, denn sie beruhen auf den Zahlenproportionen der mitschwingenden Obertöne jedes erklingenden natürlichen - also nicht elektronisch erzeugten - Grundtones. Diese Zahlenproportionen sowie die damit verbundenen Intervalle sind daher nicht auf unsere westliche Kultur beschränkt, sondern überall auf der Welt gleich. In manchen Kulturen üben hiervon abweichend gestimmte Instrumente einen ganz besonderen Reiz aus, z.B. im Gamelan-Orchesters in Java oder Bali. Ebenso bringen auch die in Indien verwendeten Mikrointervalle (die sog. „Shrutis“) zusätzliche Spannung mit sich. Beim Singen jedoch hält man sich in Indien oder Indonesien wie überall auf der Welt an unser (naturgegebenes) Tonsystem.

Die sieben Tonstufen der indischen Skala habe folgende Bezeichnungen: shadj, reshab, gandhar, madhyam, pancham, dhaivat, nishad, shadj [Aussprache: sh = sch, j = dsch, y = j]. Die beim Singen verwendeten Abkürzungen heißen sa, re, ga, ma, pa, dha, ni, sa. Sie entsprechen unseren Solmisations-Silben do, re, mi, fa, so, la, ti, do der Durtonleiter (als vereinfachte Schreibweise ist ein Punkt über der Silbe für die Oberoktave, ein Punkt hinter oder unter der Silbe für die Unteroktave üblich). Der Grundton der indischen Skala ist das „sa“. Auf ihn beziehen sich die 7 Haupttöne, die sog. „Svaras“. Dabei kann das „sa“ je nach Gesangsstimme oder Instrument verschoben werden. Eine fixe Tonhöhe wie unseren Kammerton a' = 440 Hz gibt es nicht.

Um die verschiedenen Skalen zu realisieren, können wie bei uns auch die Töne der indischen Grundskala nach oben und unten alteriert werden. Der Grundton „sa“ und die fünfte Stufe „pa“ werden nicht alteriert. Ohne Alterationen entspricht die indischen Skala unserer Dur-Tonleiter. Ein Ragas muss aus mindestens fünf Noten bestehen und muss mindestens den Grundton „sa“ sowie entweder die vierte Stufe „ma“ oder die fünfte Stufe „pa“ enthalten. Der „Alap“, der Einleitung, entfaltet die Charakteristika eines Raga, zeigt insbesondere den Tonbereich, stellt die beiden Haupttöne „Vadi“ und „Samvadi“, wichtige Noten und Melodiewendungen sowie überhaupt die Grundstimmung des Raga vor. Im einfachsten Fall wird lediglich die betreffende Skala hinauf und hinunter vorgetragen. Im „Gat“, dem Hauptteil, setzen dann die Rhythmusinstrumente ein, und es wird im Rahmen der im „Alap“ vorgestellten Charakteristika frei improvisiert.

Unentbehrlich zur Melodie gehören diverse Ornamente, die in der indische Musik zwischen den oft lang ausgehaltenen Tönen stehen. Ähnlich wie bei unseren Verzierungen gibt es Vorschläge, Glissandi, Schleifer, Pralltriller, Mordente und viele andere. Die Art und Weise der Verwendung dieser Ornamente ist neben dem verwendeten Tonvorrat und spezi-ellen Melodiefiguren charakteristisch für jeden Raga.

Rhythmus
Neben der melodischen Konzept eines Raga ist auch dessen rhythmische Grundstruktur bedeutend. Im Gegensatz zu der westlichen Takteinteilung liegt jedem Raga ein spezieller „Tala“ zugrunde, eine zyklisch wiederholte rhythmische Struktur. Diese teilt sich in verschiedene Gruppen (Vibhag) auf, deren einzelne jeweils eine bestimmten Anzahl von Schlägen (Matra) haben. Ist das erste Matra eines Vibhags betont, wird dies durch Klatschen angezeigt; beginnt ein Vibhag mit einem unbetonten Matra wird dieses durch eine winkende Bewegung mit der Hand begleitet, wobei der Handrücken nach unten zeigt. Die stärkste Betonung liegt auf „Sam“, dem ersten Matra des gesamten Zyklus. Auf Sam treffen sich die Musiker immer wieder und es lösen sich die während der einzelnen Vibhags aufgebauten rhythmischen Spannungen. Auch endet ein Raga stets auf Sam. Nur bei ganz wenigen Ausnahmen ist der erste Schlag eines Tala unbetont. Normalerweise beginnt der erste Vibhag eines Talas mit der Hauptbetonung Sam und wird mit „X“ notiert. Weitere Vibhags, deren erstes Matra betont ist, werden durchnummeriert. Mit „0“ bezeichnet man den unbetonten Anfang eines Vibhags. Die verbreitetsten Talas sind:

„Tintal Tala“ - 4 Vibhags ||: 4 + 4 + 4 + 4 :|| X 2 0 3
„Dadra Tala“ - 2 Vibhags ||: 3 + 3 :|| X 0
„Kaherva Tala“ - 2 Vibhags ||: 4 + 4 :|| X 0
„Jhaptala Tala“ - 4 Vibhags ||: 2 + 3 + 2 + 3 :|| X 2 0 3
„Ektala Tala“ - 6 Vibhags ||: 2 + 2 + 2 + 2 + 2 + 2 :|| X 0 2 0 3 4
„Dhamara Tala“ - 4 Vibhags ||: 5 + 2 + 3 + 4 :|| X 2 0 3
„Dipchandi Tala“ - 4 Vibhags ||: 3 + 4 + 3 + 4 :|| X 2 0 3
„Sitarkhani Tala“ - 4 Vibhags ||: 4 + 4 + 4 + 4 :|| X 2 0 3

In Zusammenhang mit dem Rhythmus steht das Tempo eines Raga. Absolute, metronomische Tempi gibt es natürlich nicht. Die Angaben „vilambit“ (langsam), „madhya“ (mittel) und „drut“ (schnell) bezeichnen zunächst relativ das Tempo eines Talas, das sich im Verlauf des Hauptteils „Gat“ steigern wird.

Klassifikation
Die Art einer Klassifikation der Ragas hatte sich im Lauf vieler Jahrhunderte immer wieder gewandelt. Erst Pundarika, ein indischer Musikwissenschaftler im 16. Jhd., führte eine Klassifizierung nach Skalen ein, die sich bis heute gehalten hat und insbesondere von dem bedeutenden Musikgelehrten Vishnu Narayan Bhatkhande (1860-1936) weiter verfeinert wurde. Bhatkhandes Klassifikation beruht auf einer Gliederung in zehn 7-tönige Skalen, die er jeweils „That“ (Rahmen) nennt. Diese Skalen sind weit abwechslungsreicher als unsere Dur- und Moll-Tonleitern. Einige sind vom Tonmaterial her mit unseren Kirchentonarten wohl vergleichbar, unterscheiden sich jedoch durch ihre speziellen melodischen Wendungen, durch die Beziehungsgefüge ihrer beiden Haupttöne „Vadi“ und „Samvadi“ zum Grundton. In der Praxis werden zu diesen Tönen noch weitere, jedem Raga charakteristische Töne ver- wendet. Es gibt aber auch bekannte Ragas, die eine Sakala verwenden, welche nicht in diesen 10 „Thats“ aufgeführt ist; insbesondere lassen sich Ragas mit Skalen von nur fünf oder sechs Tönen hier nicht eingliedern. Bhatkhandes Klassifika-tion nach Skalen wurde immer wieder von verschiedenen Musiktheoretikern in Frage gestellt, da ja die Skalen an sich keinen musikalischen Ausdruck haben. Dennoch haben sich bis heute keine alternativen Gruppierungen der Ragas, etwa nach charakteristischen melodischen Eigenschaften, durchsetzen können. Folgende Skalen, hier mit ihrem Tonmaterial auf c' basierend dargestellt, führt Bhatkhande auf:
Harmonie
Die indische Musik kennt keine Harmonie im Sinne von Spannung und Entspannung zwischen Akkorden. Dagegen misst sie jedem einzelnen Ton durch dessen Beziehung (Intervall) zum Grundton Bedeutung zu. Deshalb erklingt der jeweilige Grundton als eine Art „Klangteppich“ (Bordun) meist während des gesamten Musikstücks und macht somit die Spannung zwischen den einzelnen Tönen und dem Grundton ständig deutlich. Der Bordun selbst bewegt sich dabei unabhängig von Rhythmus oder Melodie des Solo-Instruments oder -Gesangs. Als Borduninstrument wird in der indischen Musik meist die Tamboura verwendet, ein Saiten-instrument ohne Bünde aus der Familie der Langhalslauten. Meist sind ihre Saiten, die immer nur leer gespielt werden, gestimmt nach Unterquinte bzw. Unterquarte, 2 x Grundton, Unteroktave des Grundtons (pa. sa sa sa. oder ma. sa sa sa.).

„Westliche Ragas“
Jeder (einstimmigen) Melodie ist zugleich auch eine Harmonie immanent, einerseits durch die Spannung der einzelnen Melodietöne untereinander, andererseits durch die für die indische Musik bereits beschriebene Spannung zwischen den einzelnen Tönen zum Grundton eines Ragas. Eine neue Ebene von Spannung bringt die Harmonie einer Mehrstimmigkeit mit sich, die sich allerdings nur als Fortsetzung bzw. Steigerung der melodischen Harmonie verstehen darf, um weiterhin dem Begriff des Ragas gerecht zu werden. Ebenso müssen hierfür alle für die indischen Ragas genannten Kriterien bezüglich der Melodie und des Rhythmus beibehalten werden. Ein Vergleich zum Übergang unserer mittelalterlichen ein-stimmigen Musik zur Mehrstimmigkeit oder des Übergangs von der zwei- zur perspektivischen dreidimensionalen Malerei drängt sich auf. Beides sind konsequente Fortführungen des gleichen kulturellen Hintergrundes. Daher möchten die vor- liegenden „westlichen Ragas“ mehrstimmige Musik als westliche Form der indischen Musik nach dem Vorbild traditioneller Ragas sein. Sie klingen wohl anders als die ursprünglichen Ragas, haben jedoch die gleichen Charakteristika und dürfen unter dieser Voraussetzung die Bezeichnung „Raga“ tragen.
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